Was zum Nachdenken.....

Moderator: Bill Medland

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1.GD Blumenteufel
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Joined: Sun Sep 14, 2008 3:16 pm

Was zum Nachdenken.....

Post by 1.GD Blumenteufel »

Wen man als WK2 reenactor die Deutsche Wehrmacht darstellt sollte man als gebuertiger Deutscher nie vergessen, was damals im deutschen Namen an solchen Orten wie Auschwitz und anderst wo angerichtet wurde ......

Dazu eine Begebenheit aus dem Buch "Als Kriegsberichter 1939 - 1945" von Hans Ertl.

Hans Ertl war u. a. Kriegsberichter beim Afrikakorp und spaeter bis zum Kriegsende Angehoeriger der Gebirgstruppe in dieser Funktion.

Zeitpunkt 1943:
"Fronturlauberzug im Osten (Kowel). Bis sich der Fronturlauberzug endlich in Bewegung setzte, war schon die Daemmerung hereingebrochen. Ich hatte ein leeres Abteil ergattert, streckte mich auf einer Bank aus und liess mich von den Geraeuschen des fahrenden Zuges einlullen.

Mitten in der Nacht wurde die Tuer aufgerissen, das Deckenlicht angeknipst, und vor mir stand ein junger SS-Offizier in dem selben Rang wie ich, entschuldigte sich wegen der Stoerung in unverfaelschtem suedtiroler Tonfall und fragte, ob er denn noch auf der freien Liege Platz nehmen koennte.

"Ja, warum den net?" antwortete ich in meinem gutturalen Bayrisch und stand auf, um ihm die Hand zu reichen. "Jessas, a Jager." rief mein Gegenueber hocherfreut, um dann sofort zu fragen: "Ja, wo kommst du denn her?" "Aus dem Kaukasus", gab ich zurueck. "Mei, war i gern zu de Jager gangn", fuhr er fort, "aber mi hams einfach zur SS einzogn, und dagegn konnst halt nix machn", fuegte er etwas traurig hinzu. "Wo san ma denn?" wollte ich wissen. "In Lublin, wo der Mensch grad noch an Schuss Pulver wert ist", setzte mein Reisegefaehrte sarkastisch hinzu, aber ich verstand die Bemerkung damals noch nicht.

Als ich erzaehlte, dass meine Frau Suedtirolerin sei und am Rittner Horn bei Bozen daheim, da taute er auf und berichtete, dass er aus der Bischofsstadt Brixen komme und dort das Gymnasium besucht haette. Da ich seine Heimat von meinen Bergfahrten in den Dolomiten gut kannte, gabs einigen Gespraechsstoff. Vom Einsatz der Gebirgsjaeger im Kaukasus aber konnte ich ihm gar nicht genug erzaehlen. Als ich ihn bat, mir doch auch etwas von seinen Frontabenteuern zu berichten, blieb er zunaechst stumm. Nach einigem Nachdenken aber lachte er gequaelt auf und erklaerte: "Meine Fronteinsaetze" waren bislang in Konzentrationslagern - in Maidanek und in Ausschwitz -, und der wehrlose Gegner bestand aus Juden, Zigeunern und sogenannten Asozialen und rassisch minderwertigen Elementen. Die letzten Worte setzte er betont hochdeutsch hinzu, dann fuhr er fort: "Die armen Hunde haben dort nur die Wahl zwischen der Geborgenheit von Gaskammern oder der heissen Dusche von Maschinengewehrgarben am Rande von Massengraebern, die sie sich vor ihrem Ende auch noch selber schaufeln muessen." Ich konnte diesen Mann, der dabei war, eine Beichte abzulegen, nicht unterbrechen, weil die haarstraeubenden Geschichten, die aus ihm hervorsprudelten, mich einfach vor Entsezen verstummen liessen. Makabere Bilder von gequaelten Menschen zogen in dieser Nacht an mir vorueber, Frauen, Kinder, und alte Maenner, die nackt an Kleiderbergen vorbei in die Gaskammern pilgerten, all ihrer Schmuckstuecke, die sie besassen, beraubt. Nicht zu vergessen die Szene mit jenem SS-Mann, der ploetzlich durchdrehte, sich die Kleider vom Leibe riss und ebenfalls zur Vergasung mitging, weil er dieses Dasein, das man ihm aufzwang, nicht mehr ertrug: Wie er sich wehrte, als Kameraden ihn zurueckhalten wollten und ihr Chef dann bruellte: "Lasst dieses Schwein doch krepieren, wenn er es nicht anders will! Fuer diese feige Memme ist doch hier kein Platz!"

Im Rattern der Eisenbahnraeder, die in dieser Nacht ueber die Gleise eilten, schienen die grossen Schaufelbagger ploetzlich vor mir aufzustehen, wie sie Leichenberge vor sich her schoben und in grossen Graeben zuschuetteten. "Versuche zu vergessen, was ich dir erzaehlt habe! Und sage es um Gottes Willen nicht weiter, bevor nicht dieser verdammte Krieg zu Ende ist!", mahnte mein Gegenueber, als wir uns im Morgengrauen Warschau naeherten. "Wenn wir einmal abbuessen sollten, was wir verbrechen mussten, dann reicht unser Leben nicht aus, selbst wenn wir 100 Jahre alt wuerden", sagte er noch zum Abschied und verschwand dann im Gang unseres Waggons. Ich aber sass wie in Trance nach diesen Schauergeschichten bis Posen in meinem Abteil, das nun bis zum letzten Platz mit erwartungsfrohen Urlaubern besetzt war. Der Gedanke: "Ich weiss etwas schreckliches, wovon ihr anderen alle noch Ahnung habt", war eine schwere Belastung fuer mich und laehmte fuer geraume Zeit mein Tun und Handeln, bis der rauhe Kriegsalltag auch ueber diese erschuetternde Beichte eines zwangsverpflichteten Henkersgehilfen hinwegwalzte. "


Das war mein kleiner Beitrag zum Nachdenken.....

mfg Arnulf
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Steffen
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Re: Was zum Nachdenken.....

Post by Steffen »

Ein wirklich betroffen machender Bericht... danke dir fürs Einstellen.

Viele Grüße,
Steffen
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1.GD Blumenteufel
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Joined: Sun Sep 14, 2008 3:16 pm

Re: Was zum Nachdenken.....

Post by 1.GD Blumenteufel »

Danke :wink:

mfg Arnulf
Erich Johann

Re: Was zum Nachdenken.....

Post by Erich Johann »

Niemals vergessen.
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